Unsere letzte Opernproduktion, Claudio Monteverdis „Marienvesper“, feierte am 15. Dezember 2018 in der Regie des spanischen Regisseurs Calixto Bieito am Nationaltheater in Mannheim ihre Premiere. Im Namen von il Gusto Barocco bedanken wir uns bei den Pressevertretern, die den Premierenabend in den folgenden Beiträgen rezensiert haben.

In den kommenden Wochen werfen wir einen Blick hinter die Kulissen des Barockorchesters il Gusto Barocco. Im Rahmen unserer letzten Opernproduktion am Nationaltheater Mannheim sind 11 Videos durch das Mannheimer Filmteam Gallion entstanden. Dabei stellen die Musiker von il Gusto Barocco vor dem spektakulären Bühnenbild von Claudio Monteverdis „Krönung der Poppea“ Ihre Instrumente vor. Im heutigen Sinfonie-Orchester findet man diese Instrumente nämlich nicht mehr: Neben verschiedenen Lauten, der Viola da Gamba oder der Lirone gibt es hier wirklich besondere Klänge zu entdecken.

Alle bisherigen Videos gibt es unter diesem Youtube–Link.

Die Musiker zeichnen sich aber nicht nur durch das besondere Instrumentarium aus, noch wichtiger sind die Improvisations- und Diminutionskunst. Unter Diminution versteht man eine hoch differenzierte Verzierungskunst, bei der aus einer einzelnen geschriebenen Note schonmal 20 gespielte werden können. Unsere Geigerin Anaïs Chen wird in ihrem Videobeitrag darauf besonders eingehen. Neben den Musikern kommen auch der Mannheimer Opernintendant Albrecht Puhlmann und Dramaturgin Cordula Demattio zu Wort.

Die Videos sind als Vorgeschmack für unsere nächste Opernpremiere am Mannheimer Nationaltheater gedacht, am 15. Dezember 2018 haben wir mit einer szenischen Deutung von Monteverdis Marienvesper Premiere – in der Regie von Calixto Bieito.

Vor zwei Jahren habe ich zusammen mit Il Gusto Barocco und einem exzellenten Sänger-Ensemble Heinichens Oper Flavio wiederentdeckt und uraufgeführt: Leandro Marziotte, Dana Marbach, Alessandra Visentin, Silke Gäng, Nina Bernsteiner, Tobias Hunger und Ismael Arroniz übernahmen die Rollen der sieben Protagonisten. Anfang Dezember wird der Livemitschnitt unserer Aufführung auf drei CDs bei cpo erscheinen. Für uns ist diese CD-Veröffentlichung nach Brescionellos Tisbe (2015) ein wichtiger Meilenstein.

Das Video zeigt einen Ausschnitt unseres damaligen Konzertes: Silke Gäng singt eine Arie der Imiliée und vergleicht ihre ausweglose Situation mit der eines in Bedrohung geratenen Vogels.

Heinichens Oper ruhte rund dreihundert Jahre von der Musikwelt völlig vergessen in den Archiven der sächsischen Staatsbibliothek, bis der amerikanische Musikwissenschaftler Maxwell Sobel die Partitur ebendort wiederentdeckte. Der Senesino-Skandal in Dresden gilt weithin als der zutreffendste Grund, weshalb die Oper Flavio Crispo in ihrer Zeit nicht zur Aufführung kam und somit auch nicht vollendet werden konnte. Der Eklat und die Entlassung der Opernkompanie fand vor der endgültigen Fertigstellung des Werkes statt, so dass Heinichen den Schlusschor nie fertigstellen sollte. Sobel ist es zu verdanken, dass die Oper nach all der Zeit in einer wissenschaftlich zuverlässigen Edition vorliegt und der Schlusschor im Sinne Heinichens ergänzt wurde.

 

Nach der Uraufführung von Brescianellos Tisbe ist Heinichens Flavio die zweite Ausgrabung einer nie gespielten Barockoper mit il Gusto Barocco. Als Koproduktion zwischen SWR und dem Label cpo soll der Konzertmitschnitt vom Juni 2016 im Laufe diesen Jahres auf drei CDS erscheinen. Die historischen Umstände dieser Oper sind besonders: Ein Streit der beiden weltberühmten Kastraten Senesino und Berselli sorgte für einen Eklat, der die Premiere von Heinichens Oper am Dresdner Hof verhinderte. Anekdoten berichten, dass die Sänger dem Komponisten mangelnde Italienisch-Kentnisse vorwarfen und im Probenprozess die Noten vor den Augen des Komponisten zerrissen – andere wiederum, dass Händel auf der Reise von Italien nach London die Dresdner Sänger abwarb. Der provozierte Eklat diente zur Auflösung aller Verträge mit August dem Starken in Dresden.

In diesem Trailer ist die Schlußarie der Elena am Ende des zweiten Aktes zu hören, gesungen von Dana Marbach:

Wenn die Seele das Glück anderer sieht,
fühlt sie sich im Kampf,
ihr innerer Schmerz wird stärker.
Sie seufzt, sie fürchtet sich;
Je weniger der Verstand weiß,
desto mehr klagt sie und fürchtet sich.

Heinichen wählt eine sehr aparte Instrumentierung, um die Reinheit und Zerbrechlichkeit dieser Figur zu charakterisieren: In den Orchester-Ritornellen erklingen drei klagende Oboenstimmen ohne jegliches Baß-Fundament – ihr Klagegesang selbst wird durch leise Pizzicati der Streicher und in unserer Interpretation des Basso Continuo durch Arpeggien der Harfe begleitet. Dieser melancholische und fragile Aktschluß steht beispielhaft für Heinichens poetische und hoch empfindsame Vertonung dieses Opernlibrettos.

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Im Juni 2016 hat il Gusto Barocco Heinichens Oper „Flavio Crispo“ uraufgeführt. Der Mitschnitt des SWR ist jetzt geschnitten und gemischt und wird bald bei cpo auf drei CDs erscheinen.

Unter August dem Starken erreichte die Hofkapelle in Dresden ihre Blütezeit. Es wurden erstklassige Musiker aus ganz Europa, überwiegend aus Italien engagiert. Auch in Heinichens Kompositionsstil schlägt sich dies nieder: Die Instrumentierung ist mit Hörnern, Flöten und Oboen äußerst reichhaltig. Stilistisch handelt es sich um eine klassische „opera seria“ (dt.: ernste Oper), die hohe Ansprüche von Virtuosität an die Sänger erfordert, vor allem in der für Senesino komponierten Soprankastratenpartie. Der musikalische Satz ist bei weitem nicht mehr so streng kontrapunktisch wie noch bei Scarlatti und Vivaldi. Heinichens Musik zeigt erste Anklänge des melodiösen Stils, den Johann Adolph Hasse weiterentwickelte.